11.11.2025
lic. phil. Engelbert Reul
Georg Büchner

Georg Büchner (1813–1837) gilt als einer der Vordenker der modernen Literatur. Er wurde im hessischen Goddelau geboren und starb bereits mit 23 Jahren in Zürich. Seine kurze Lebenszeit fiel in die Ära des Vormärz, eine Zeit politischer Spannungen zwischen restaurativer Unterdrückung und revolutionärem Aufbruch. Mit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 regierte Fürst von Metternich mit harter Hand, die Presse- und Meinungsfreiheit wurden massiv eingeschränkt Dennoch formierten sich erste nationale und liberale Bewegungen, sichtbar im Wartburgfest von 1817 und im Hambacher Fest von 1832, wo Studenten und Bürger für Einheit und Freiheit eintraten. Büchner studierte Medizin in Strassburg und Giessen, war heimlich mit Wilhelmine "Minna" Jaeglé (1810-1880) verlobt und engagierte sich früh politisch. 1834 beteiligte er sich an der Flugschrift „Der hessische Landbote“, die mit dem berühmten Aufruf „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ zu sozialer Gerechtigkeit aufrief. Wegen dieser revolutionären Schrift wurde er steckbrieflich gesucht und floh über Strassburg in die Schweiz. In Zürich erhielt er 1836 eine Anstellung als Dozent für Naturgeschichte an der Universität. Er setzte seine naturwissenschaftlichen Forschungen fort, etwa über das Nervensystem des Barben-Fisches („Système nerveux du barbeau“). Büchner starb in Zürich 1837 an Typhus.
In seinem literarischen Werk verbinden sich politisches Denken, psychologische Schärfe und sprachliche Modernität. In „Dantons Tod“ (1835) setzte er sich mit der Französischen Revolution auseinander und stellte die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen im Strudel geschichtlicher Kräfte: „Er ist ein Revolutionär, der zum Revolutionär nicht geboren ist". In „Leonce und Lena“ griff er das Thema der Sinnsuche einer dekadenten Fürstengesellschaft auf, während die Erzählung „Lenz“ (posthum 1839 veröfentlicht) ein frühes Meisterwerk psychologischer Prosa wurde, das den geistigen Verfall des Dichters Jakob Lenz (1751-1792) beschreibt. Sein letztes, unvollendet gebliebenes Drama „Woyzeck“ schildert das Schicksal eines einfachen Soldaten, der durch Demütigung und soziale Not in den Wahnsinn getrieben wird. Hier wird das Theater zu einem Labor, in dem menschliche Abhängigkeiten und Ängste analysiert werden. Büchners Werke wurden lange Zeit kaum beachtet, doch im 20. Jahrhundert erlebten sie eine gewaltige Wiederentdeckung. „Woyzeck“ wurde zu einem der meistgespielten Stücke der Moderne, von Alban Berg in eine Oper verwandelt und von großen Schauspielern wie Klaus Kinski verkörpert. Zahlreiche Dichter und Denker rühmten Büchner als Wegbereiter der modernen Literatur: Gerhart Hauptmann würdigte ihn mit den Worten: „Georg Büchners Geist lebte nun mit uns, in uns, unter uns….und man darf sich vorstellen, dass er, bei allem Abstand seiner Einmaligkeit, ein Verwandter von uns gewesen ist.“ Auch Rainer Maria Rilke nannte „Woyzeck“ ein Schauspiel ohnegleichen. In Anerkennung seines Einflusses wird seit 1951 der Georg-Büchner-Preis verliehen, die bedeutendste literarische Auszeichnung im deutschsprachigen Raum, dessen erster Preisträger Gottfried Benn war. Diese Stimmen und Ehrungen bezeugen, dass Büchner weit über seine Zeit hinauswirkte, als Dichter, Arzt und Revolutionär, der trotz seines frühen Todes in der Spiegelgasse 12 in Zürich zu einem der bedeutendsten Erneuerer der deutschen Literatur geworden ist. Dem Referenten, lic. phil. Engelbert Reul, ist es auf hervorragende Weise gelungen, diese aussergewöhnliche Persönlichkeit als Mensch, als Dichter und in ihrer schöpferischen Arbeit anschaulich in den historischen Kontext der damaligen politisch bewegten Zeit des Vormärz einzuordnen. Dafür sei ihm herzlichster Dank ausgesprochen.

































