27.05.2014
Charles Stünzi, lic. phil.
Nicht nur Shakespeare... Wendepunkte der englischen Literatur - auch für nicht Englischsprechende
Der Referent ging das Wagnis ein, vier wichtige Wendepunkte der englischen Literaturgeschichte in einer Stunde vorzustellen. Der anwesende Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger hielt nach der offiziellen Einführung eine kurze, humorvolle Rede auf den mit ihm befreundeten Referenten. Charles Stünzi begann seine Ausführungen mit dem Altenglischen, der Sprache der Angelsachsen, in welcher das Heldenepos „Beowulf“ (entstanden um 700) geschrieben ist. Dessen Geschehen spielt vor historischem Hintergrund in Dänemark. In diesem Werk stehen – typisch für jene Zeit kurz nach der Christianisierung Englands - christliche und heidnische Ideen und Werte teils unvermittelt Seite an Seite. Mit der normannischen Invasion durch Wilhelm den Eroberer aus Frankreich begann im Jahre 1066 eine neue Epoche der englischen Geschichte und Sprache. Durch die zunehmende Durchmischung der normannisch-französischen Sprache der Oberschicht mit den angelsächsischen Dialekten des einfachen Volkes entstand die mittelenglische Sprache. Geoffrey Chaucer (1342-1400) erhob diese Sprache durch seine „Canterbury Tales“ und sein übriges Werk zur Literatursprache, welche von nun an die diversen Dialekte ersetzte, und revolutionierte die englische Literatur auch sonst in verschiedener Hinsicht. So machte er durch die Einführung kontinentaler Themen und Formen die englische Literatur zu einer europäischen Literatur, und er leitete durch die starke Individualisierung seiner Figuren die neuzeitliche Literaturepoche ein. In einem dritten Kapitel skizzierte der Referent das Literaturverständnis der englischen Romantik (um 1800) und arbeitete anhand einer Interpretation von William Wordsworths berühmtem Gedicht „The Daffodils“ das semantische Grundmuster traditioneller Literatur heraus, welches nach ca. 1900 durch die radikal anderen Tiefenstrukturen der literarischen Moderne abgelöst wurde. Diese Strukturen exemplifizierte der Referent anhand zweier experimenteller Gedichte des Amerikaners E. E. Cummings (1894-1962). Dass er aus Zeitgründen auf Ausführungen über einen weiteren wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der englischen Literatur, nämlich die Renaissance mit William Shakespeare, verzichten musste, versteht sich von selbst. Ein interessanter und lehrreicher Abend!
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